Das Zwerchfell und die Atmung

Das Zwerchfell und die Atmung

Wenn ein neuer Patient in meine Praxisräume kommt und mir seine Situation geschildert hat, beginne ich meist bei einem ganz anderen Punkt anzusetzen als da, wo sein Schmerz liegt. Denn eine bedeutende Aufgabe kommt zuallererst der Atmung im Organismus zu. Wie gut, tief, fließend oder harmonisch deine Atmung funktioniert, hat entscheidenden Einfluss auf die Arbeit des Zwerchfells. Bereits im Zusammenhang mit dem Lymphsystem habe ich darüber gesprochen. Lies dazu gerne unter dem Blogartikel nach. Da unsere Atmung die Funktionsweise des Zwerchfells bestimmt, nimmt sie großen Einfluss auf das gesamte Wohlbefinden und den Gesundheitszustand unseres Körpers.

Kleiner Fehler – große Wirkung

Nach dem Herzen und dem Herzschlag haben Zwerchfell und Atmung, innerhalb der körperlichen Hierarchie, die zweitwichtigste Funktion im Organismus. Unser Körper tätigt zwischen 21.000 und 25.000 Atemzüge pro Tag. Das ist eine ganze Menge! Sodass ein möglicher, auch nur kleiner Fehler, eine große Auswirkung auf Dauer haben kann. Wenn wir selbst nicht „richtig“ atmen, fällt uns das nur in den seltensten Fällen auf. Das Bewusstsein, dass ein möglicherweise winziges Problem bei der Atmung verantwortlich für eine größere körperliche Beschwerde sein könnte, ist bei den meisten nicht vorhanden. Deswegen versuche ich dieses Wissen meinen Klienten zu Beginn einer gemeinsamen Therapie mitzugeben.

Mechanische Betrachtung

Zuerst kommt bei der Betrachtung der Atmung die mechanische Thematik ins Spiel, heißt Brustatmung vs. Bauchatmung. Von diesem Teil haben die meisten meiner Patienten bereits gehört und wissen, dass die Bauchatmung die gesunde und eigentlich auch natürliche Form ist.

Das Zwerchfell sitzt mittig im Körper, ungefähr 4 Finger breit über dem Bauchnabel. Es ist ein zentraler Muskel, der im gesamten Körper wirkt und diesen beeinflusst. Befestigt an den unteren Rippen, auch nach hinten und seitlich. Ein Streifen der Zwerchfell-Muskulatur zieht an der Lendenwirbelsäule entlang bis in Höhe der Lendenwirbel 3 und 4, wo er wiederum befestigt ist.

Im Grunde teilt der Zwerchfell-Muskel den Körper. Alles, was oberhalb des Zwerchfells liegt, gehört zum Bereich der Atmung. Darunter befinden sich die Verdauungsorgane.

Das Zwerchfell bildet eine Glocke im entspannten Zustand. Du kannst dir das wie ein Gewölbe unter dem Brustkorb vorstellen. Wenn wir ausatmen, sind die Fasern des Zwerchfells entspannt.  Wenn sich die Muskelfasern verkürzen, also anspannen, stülpt sich die Glocke nach unten, wodurch sie Sogwirkung auf die Lungenflügel erzeugt. Dadurch muss Luft entweder durch die Nase, den Mund oder beides gleichzeitig in die Lunge eingeatmet werden. Auch die Rippenmuskeln sind beteiligt, indem sich der Brustkorb ähnlich zu einer Ziehharmonika weitet. Es entsteht Raum, der nun mit Atemluft gefüllt werden will. Es entsteht eine weitere Sogwirkung über die Lunge, die Bronchien und die Nase.

Weil das Zwerchfell zum einen so zentral im Körper liegt, zum anderen durch seine vielen Kontraktionen ein großes mechanisches Potenzial besitzt und außerdem in seiner Statik an den Rippen und der Lendenwirbelsäule befestigt ist, kann es für eine Vielzahl an Fehlspannungen im Körper verantwortlich sein. Diese können bis oben in den Kopf oder bis hinab zu den Knien und Füßen ziehen können.

Anspannung des Zwerchfells

Ist das Zwerchfell angespannt und verkürzt, stehen die Fasern, die rückwärtig an der Lendenwirbelsäule entlanglaufen, ebenso unter Spannung. Diese ziehen an der Lendenwirbelsäule, wodurch diese ins Hohlkreuz gehen kann. Bspw. das Krankheitsbild der Listhese – das Wirbelgleiten – gehört zu den klassischen Diagnosen, die ich meistens dem Zwerchfell zuschreiben kann. Der 4. Wirbel im Vergleich zum 5. Oder der 5. Wirbel im Vergleich zum 6. Diese Wirbel sind im Verhältnis zum Kreuzbein disloziert, da sie zu weit nach vorne stehen. Dadurch entstehen hinten, in den Ausgängen – dort, wo die Nervenstränge aus dem Rückenmark in die Peripherie treten –  Engpassagen. Diese Engpassagen sind dann dafür verantwortlich, dass Informationen über die Nervenbahnen nicht vollständig weitergeleitet werden. Dies kann Auswirkungen auf sämtliche Muskeln vom Bauchraum, über den Beckenraum bis in die Beine zeigen. Auch nach oben hin entsteht eine Fehlspannung, da es den Brustkorb nach vorne zieht. Hinten an der Brustwirbelsäule entsteht eine vermehrte Wölbung, wodurch der Schultergürtel nicht axial und spannungsfrei auf dem Brustkorb sitzt. Stattdessen fallen die Schultern nach vorn, die Halswirbelsäule überstreckt sich, um den nach unten gezogenen Kopf, anzuheben.

Die beschriebene Fehlstatik sorgt für allerlei Symptome im Körper.

Pumpleistung des Zwerchfells

Wie im Blogartikel beschrieben, hat das Zwerchfell einen sehr großen Einfluss auf den Lymphfluss. Denn nicht das Herz pumpt die Lymphflüssigkeit, sondern das Zwerchfell. Das Zwerchfell besitzt in der Mitte der Muskulatur eine kleine Öffnung, durch das drei der Hauptgefäße hindurchlaufen. Das ist zum einen die Speiseröhre, dann die Aorta, genannt Arteria und zum anderen die Vene, genannt Vena Cava. Beides sind die zwei größten Blutgefäße des menschlichen Körpers, mit dem je größten Durchmesser. Jedes Mal, wenn sich das Zwerchfell zusammenzieht, wird eine Sogwirkung auf beide Blutgefäße ausgeübt. Kontraktion und Entspannung des Zwerchfells bewegen die Lymphe und sorgen für ausreichend zirkulierende Lymphflüssigkeit oder eben nicht.

Einfluss auf die Verdauung

Da die Verdauungsorgane unterhalb des Zwerchfells liegen, hat dieses einen großen Einfluss auf das gesamte Verdauungssystem. Sämtliche Verdauungsorgane besitzen eine glatte Muskulatur, was bedeutet, dass diese nicht willentlich von uns kontrahiert werden können. Ihre Bewegung unterliegt stattdessen dem Zentralnervensystem. Das Zwerchfell unterstützt diese Arbeit durch das ständige nach unten Stülpen im Wechsel mit dem nach oben Ziehen, es wirkt wie eine Presse. Dadurch wird der Nahrungsbrei ab dem Magen und in allen darunterliegenden Verdauungsorganen durchgeknetet. Mit diesem Mechanismus kann der Nahrungsbrei weitergeschoben und ständig in Bewegung gehalten werden, wodurch eine gute Verdauung gewährleistet wird.

Biochemische Betrachtung

Doch die Untersuchung der Atmung geht noch viel tiefer, da sie für jeden Menschen das persönliche Abbild seiner Biochemie ist. Es zeigt sich das Verhältnis von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid im Blut.

Muskulatur, die nicht arbeitet, verspannt. Ähnlich, wie bei einem eingegipsten Unterarm, der sich nicht bewegen kann, verkürzen sich die Muskeln durch nicht bewegte Muskelfasern.

Da auch das Zwerchfell ein großer Muskel ist, wird er sich bei unzureichender Nutzung ebenso verkürzen. Die Statik im Körper in Bezug auf Lendenwirbelsäule, Brustwirbelsäule und Halswirbelsäule kann betroffen sein. Viel weniger Sauerstoff wird von der Lunge in die Blutgefäße geleitet, da sich die meisten Lungenbläschen im unteren Teil der Lunge befinden, die bei reiner Brustatmung nicht benutzt werden. Nur durch die Atmung in den Bauch hinein entsteht eine ausreichende Sauerstoffversorgung im Blut und in den Zellen. Für den Körper fahren wir dann auf Sparschiene, denn Sauerstoff ist einer der Treibstoffe in unserem Organismus. Das Herz-Kreislauf-System existiert aus genau diesem Grund, um Sauerstoff in ausreichender Menge in alle Zellen des Körpers zu transportieren.

Da jeder Muskel zum Kontrahieren ebenso Sauerstoff benötigt, führt eine Unterversorgung mit diesem Treibstoff wiederum zu weiteren angespannten Muskeln.

Fazit

Die Arbeit des Zwerchfells bzw. die damit verbundene Qualität der Atmung haben einen riesigen Einfluss auf unseren menschlichen Organismus. Aufgrund der exponierten Lage, der Mitmischung in viele körperliche Prozesse und der Vielzahl an täglichen Atemzügen, können minimale Fehler zu weitreichenden Auswirkungen führen. Das Zwerchfell nimmt weiterhin entscheidenden Einfluss auf den Fluss der Lymphe sowie die gesamte Arbeit des Verdauungssystems. Auch die Sauerstoffversorgung wird durch unzureichendes Atmen verringert, was zu weiterem Stress im Körper führt.

Aus diesen mannigfaltigen Gründen berücksichtige ich bei jedem Patienten die Funktionsweise des Zwerchfells, die durch die Qualität seiner Atmung geprägt wird. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Menschen falsch atmen. Wenn du dir unsicher bist, ob deine Atmung gut funktioniert oder du unter Schmerzen leidest, die du endlich beheben willst, kannst du gerne einen Termin in meiner Praxis vereinbaren. Im Vorfeld können wir uns bei einem unverbindlichen ersten Kennenlerngespräch über deine Symptomatik austauschen. Buche gerne direkt hier in meinem Terminkalender, oder kontaktiere mich per Telefon: +43 676 682 88 52 oder E-Mail: alexander@schmerzwerkstatt.at.

Ich freue mich auf dich.

Dein Alexander